Stellungnahme zur Verabschiedung des Bremischen Haushalts 2024

    Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Bremen e.V. (LAG) ist die Dachorganisation der Träger der Freien Wohlfahrtspflege in Bremen. Die Mitgliedsverbände mit ihren rund 40.000 Beschäftigten in allen Feldern der sozialen Arbeit engagieren sich mit der LAG dafür, Verbesserungen in individuellen Lebenslagen zu erzielen, die Solidarität und soziale Integration der Menschen zu fördern und die Beteiligung von Bürger*innen an sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen voranzubringen. Die LAG sichert mit ihren Verbänden elementare Teile der sozialen Infrastruktur.

    Zur Verabschiedung der Bremischen Haushalte für das Jahr 2024 in der Sitzung der Bremischen Bürgerschaft am 20.06.2024 nimmt die LAG wie folgt Stellung:

    Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Bremen e.V. erkennt an, dass sich Senat und Koalition in schwierigem finanzpolitischem Umfeld bewegen und durch verschiedene, sich überlagernde Krisen deutlich weniger Handlungsspielräume haben. Trotz dieser schwierigen Umfeldbedingungen haben sich Senat und Koalition sozialpolitisch für Ausgleich und Fortbestand der bestehenden sozialen Infrastruktur bemüht.

    Dennoch sind aus Sicht der LAG einige Bereiche des Bremer Haushalts kritisch zu bewerten. Dies geschieht vor allem vor dem Hintergrund einer hohen Armutsquote im Land, insbesondere von weiter anwachsender Kinderarmut. Soziale Lagen vieler Bremer und Bremerhavener Bürger*innen haben sich in den letzten Jahren verschärft: die Gewalt in Familien hat nachweislich zugenommen, eine steigende Anzahl von Jugendhilfemaßnahmen ist zu beobachten, die Herausforderungen von jungen Menschen mit Fluchthintergrund und/oder Armutslagen sind groß und gefährden ihre gesellschaftliche, schulische und berufliche Integration, um hier nur einige Problemstellungen aufzuzeigen.

    Hier gilt es nach wie vor entschieden und frühzeitig gegenzusteuern, und das gelingt mit dem vorliegenden Haushalt nur in Teilen. Die LAG fokussiert sich in ihrer Stellungnahme auf diese Themen:

     

    Offene Jugendarbeit mehr als bisher als Investition in die Zukunft anerkennen!

    Zwar konnten massive Kürzungen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit mit diesem Haushalt vermieden werden, jedoch reicht der angekündigte Aufwuchs der Mittel für die offene Jugendarbeit nicht aus, um die tariflichen Steigerungen im Personalbereich sowie die gestiegenen Energiepreise und Sachkosten umfänglich zu kompensieren. Somit können weitere Schließtage und Personalreduzierungen nicht vollständig verhindert werden. Und: notwendig wäre ein Ausbau der offenen Jugendförderung, um insbesondere die Jugendlichen noch besser zu erreichen, die auf ein Mehr an Unterstützung aufgrund ihrer sozialen Lage oder ihrer biographischen Belastungen angewiesen sind. Auch der Anstieg rechtsextremer Einstellungen bei Jugendlichen wie ihn einige Studien jüngst belegen erfordert einen Ausbau der Jugendförderung.
    Sorgen bereitet derzeit der Haushalt für das Jahr 2025, hier ist mit weiteren Kostensteigerungen zu rechnen, die bei einem geplanten Überrollen der Ansätze nicht aufgefangen werden können und zu weiterer Reduktion des Angebots führen werden.

     

    Kita-Ausbau gefährdet – frühkindliche Bildung substanziell besser fördern!

    Kindertagesbetreuung ist das Fundament früher Bildung und Erziehung von Kindern. Darüber hinaus

    schafft sie verlässliche Betreuungszeiten, auch zur Sicherstellung der Erwerbstätigkeit von Eltern

    In Bremen muss die Kindertagesbetreuung einem weiteren Auftrag genügen. Sie muss einen Beitrag zur Reduzierung von Armut leisten. Dies kann langfristig nur gelingen, wenn Kindertagesbetreuung qualitativ und personell gut ausgestattet ist.

    Deshalb ist ein quantitativer und qualitativer Ausbau der Kindertagesbetreuung zur Erreichung dieser Ziele unerlässlich. Das hat der Senat zwar erkannt, jedoch gehört zwingend auch eine langfristige, dynamische und sichere Finanzierung dazu. Übrigens auch, um den Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung schnellstmöglich zu realisieren.

    In Bremen wird die Kindertagesbetreuung in Kitas und Elternvereinen noch über Zuwendungen finanziert. Andere Bundesländer haben die damit verbundenen Unsicherheiten erkannt und Kitas und Elternvereine in die Entgeltfinanzierung übernommen. Wir fordern daher, endlich die Kita-Finanzierung aus dem Zuwendungsbereich herauszunehmen und in die Entgeltfinanzierung zu überführen. Hieraus würde eine langfristige Planungssicherheit für die Träger resultieren, was eine positive Wirkung sowohl für die langfristige Bindung von Fachkräften, die Ausbildung von Erzieher*innen und den schnellstmöglichen Ausbau von Kita-Plätzen nach sich ziehen würde. Dass es auch mit diesem Haushalt kein eindeutiges Bekenntnis zur Entgeltfinanzierung gibt, ist aus Sicht der LAG mehr als bitter.

     

    Pflege im Quartier stagniert!

    Erst in der letzten Legislatur hatte der Senat sich zu einem Paradigmenwechsel in der Pflege entschieden: Mit dem Konzept Pflege im Quartier „für ein Selbstbestimmtes und sozial eingebundenes Leben von Senior*innen“, sollten teilhabeorientierte, vorpflegerische und ambulante Maßnahmen strukturell gestärkt werden, um älteren Menschen ein Leben in den eigenen vier Wänden so lange wie möglich zu ermöglichen und stationäre Unterbringungen mindestens hinauszuzögern. Angesichts des gravierenden Fachkräftemangels in der Pflege bei gleichzeitigem Aufwuchs an Pflegebedürftigen ist dieser Paradigmenwechsel hin zur Sorgenden Gemeinschaft ein Muss. Dass es hier keine erheblichen Bemühungen geben wird, ist vor dem Hintergrund der kommenden Entwicklung nicht zu verantworten: Der Landespflegebericht legt Zahlen vor, wonach 2031 der geburtenstärkste Jahrgang in Rente geht. Aktuell sind 30% der Pflegekräfte über 55 Jahre alt. Eine vorausschauende Weiterentwicklung in der Pflege, die diese Bevölkerungsentwicklung der kommenden Jahre berücksichtigt, ist daher dringend notwendig. Der Mangel an Pflegeplätzen wirkt sich gravierend auf die Erwerbsbeteiligung insbesondere von Frauen aus, wenn Arbeitnehmende ihre Arbeitszeiten reduzieren, um pflegebedürftige Angehörige zu versorgen oder sogar ihre Berufstätigkeit ganz aufgeben müssen. Nun – so ist es im Haushalt nachzulesen, wird kein weiteres Geld für den Auf- und Ausbau des Konzeptes in den Stadtteilen Bremens und Bremerhavens aufgewendet. Wir fordern den Senat auf, diese falsche Weichenstellung mit dem Haushalt 2025 zu korrigieren.

    Vor dem Hintergrund der stetig anwachsenden Herausforderungen in der Altenarbeit und Pflege ist es aus Sicht der LAG auch nicht nachvollziehbar, warum die Koordinierungsstelle der Bremer Pflegeinitiative nicht weiter abgesichert worden ist.

     

    Sozialökologische Transformation

    Die LAG begrüßt, dass der bremische Haushalt über ein Sondervermögen die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft unterstützen wird.

    Auch die Sozialwirtschaft muss in die Lage versetzt werden, sich klimaneutral aufzustellen. Hier bedarf es Anreizsysteme und Förderprogramme, denn nur so können die erforderlichen zusätzlichen investiven Maßnahmen, die nicht über Entgelte oder Eigenanteile abgebildet werden können, umgesetzt werden.

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